Im ehemaligen Munitionslager Mitholz besteht ein höheres Risiko infolge einer Explosion von Munitionsrückständen als bisher angenommen. Bundesrat und Parlament haben die umfassende Räumung beschlossen.
Im Zweiten Weltkrieg wurde in Mitholz (Gemeinde Kandergrund, Kanton Bern) ein unterirdisches Munitionslager der Schweizer Armee gebaut. 1947 kam es darin zu Explosionen, wobei 9 Menschen in der Umgebung der Anlage starben. Explodiert war ein Teil der eingelagerten Munition von rund 7000 Bruttotonnen.
Gemäss Schätzung von Fachleuten befinden sich in den eingestürzten Anlageteilen und im Schuttkegel heute noch bis zu 3500 Bruttotonnen Munition mit einigen hundert Tonnen Sprengstoff. Von diesen Munitionsrückständen geht ein höheres Explosionsrisiko aus als bisher angenommen. Zu diesem Schluss kommen 2018 ein vom VBS in Auftrag gegebener Expertenbericht sowie ein vom Bundesamt für Umwelt in Auftrag gegebenes Gutachten. Als Folge bildete das VBS im Auftrag des Bundesrates eine Arbeitsgruppe mit Vertretern des Bundes, der Kantone Bern und Wallis, der Gemeinden Kandergrund und Kandersteg sowie der BLS. Ihr Auftrag: Weitergehende technische Untersuchungen, Massnahmen zur Risikosenkung, die Notfall- und Alarmierungsplanung sowie rechtliche Fragen.
Zahlreiche Massnahmen, wie die Installation eines Mess- und Alarmierungssystems oder die Durchführung weiterführender technischer Untersuchungen in den Bereichen Geologie und Wasser, sind umgesetzt. Zudem hat der Kanton Bern eine Notfallplanung erarbeitet.
Räumung als nachhaltige Lösung
In ihrem abschliessenden Bericht kommt die Arbeitsgruppe 2020 zum Schluss, dass die von den Munitionsrückständen ausgehenden Risiken nur mit einer Räumung endgültig beseitigt werden können. Das Gesamtkonzept sieht den Wegzug der Bevölkerung sowie vorbereitende bauliche Schutzmassnahmen an Strasse und Bahn vor. Die Vorbereitung und die eigentliche Räumung werden gemäss heutigem Kenntnisstand mindestens 20 Jahre dauern. Falls eine Räumung aus technischen oder Sicherheitsgründen nicht möglich ist oder abgebrochen werden muss, sieht das Konzept eine Überdeckung der Munitionsrückstände als Rückfalloption vor.
In einer Mitwirkung stösst das Gesamtkonzept bei den betroffenen kantonalen und kommunalen Behörden und einem grossen Teil der Bevölkerung von Mitholz auf Zustimmung.
Der Bundesrat sprach sich Ende 2020 für die umfassende Räumung aus und beauftragte das VBS, mit den betroffenen Stellen des Bundes die Räumung konkret zu planen. Am 16. November 2022 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft über den Verpflichtungskredit zur Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz zuhanden des Parlaments. National- und Ständerat stimmten dem Bundesbeschluss am 4. Mai 2023 und am 19. September 2023 zu.
Das VBS setzt nun die Räumung des ehemaligen Munitionslagers in engem Austausch mit der betroffenen Bevölkerung, den lokalen und kantonalen Behörden und den zuständigen Bundesstellen konkret um.
Die Räumung ist in die folgenden Hauptphasen gegliedert:
2022 bis 2027: Vorausmassnahmen
2027 bis 2032: Schutzmassnahmen (Bevölkerung, Strasse und Bahn) und Vorbereitung der Räumung
2033 bis 2040: Räumung und Entsorgung der Munitionsrückstände
Ab 2040 bis 2045: Instandsetzung des Geländes und Wiederbesiedlung von Mitholz
Die Arbeiten zur Räumung der Munitionsrückstände im ehemaligen Munitionslager wirken sich auf die Bevölkerung aus. Abgestufte Gefahrenzonen und die Definition von Perimetern machen es möglich, dass mehr Personen in Mitholz bleiben können als zunächst erwartet.
Das VBS unterstützt die Menschen in Mitholz unabhängig davon, in welchem Perimeter sie leben. Wer Unterstützung braucht, erhält diese insbesondere bei der Vorbereitung des Wegzugs und bei der Suche nach konkreten Lösungen für die Zukunft.
Sie können aktuelle Informationen aus dem Projekt «Räumung ehemaliges Munitionslager Mitholz» als elektronischen Newsletter abonnieren. Darin informieren wir Sie über Aktuelles aus dem Projekt, wie Mitteilungen des VBS, neue Publikationen oder Dokumente. Zudem publizieren wir lokale Informationen, die sich an die Bevölkerung von Kandergrund und Kandersteg richten (z.B. vorgesehene Arbeiten rund um die Anlage mit allfälligen Sperrungen oder Beeinträchtigungen). Sie können wählen, welche Art von Information Sie erhalten möchten. Selbstverständlich ist eine Abmeldung jederzeit möglich.
Risikoanalyse VBS 2022 Mit der Risikoanalyse VBS 2022 wurden Wissenslücken, insbesondere zur ereignisrelevanten Munitionsmenge und zur Munitionsverteilung im verschütteten Bahnstollen, anhand von historischen Untersuchungen, Experimenten, Modellierungen und Simulationen so weit wie möglich geschlossen.
Risikoanalyse VBS 2020 Im Februar 2020 führte VBS einen Workshop mit internationalen Experten aus den Bereichen Risikoanalyse und Munitionsräumung durch. Es folgten weitere Untersuchungen zur Bildung von Kupferazid in den Zündern, was mutmasslich eine der Ursachen für das Explosionsunglück vom Dezember 1947 war. Zudem wurden numerische Simulationen und Versuche durchgeführt, um genauere Erkenntnisse zur Explosionsübertragung zu erhalten. Aufgrund der Erkenntnisse aktualisierte die Expertengruppe des VBS die Risikoanalyse aus dem Jahr 2018.
Variante Verkapselung Im Zuge der technischen Abklärungen zur Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz hat die ETH Zürich im Auftrag des VBS ein Gutachten zum Konzept einer «Verkapselung» der Munitionsrückstände erstellt. Das Gutachten kommt zum Schluss, dass mit diesem Konzept weder die Munitionsrückstände sicher eingeschlossen, noch der Durchfluss von Wasser ausgeschlossen werden kann. Damit ist das Konzept keine Alternative zur vorgesehenen Räumung der Munitionsrückstände.
Risikoanalyse VBS 2018 Am 8. Oktober 2018 veröffentlichte das VBS die vollständige Risikoanalyse zum ehemaligen Munitionslager Mitholz. Gemäss diesem Expertenbericht besteht ein höheres Risiko bei einer weiteren Explosion von Munitionsrückständen als bisher angenommen. Die Analyse entspricht einer sogenannten Historischen Untersuchung (Studium der vorhandenen Akten und Begehungen vor Ort), die nun durch Technische Untersuchungen (Analysen der Munition, der Geologie, etc.) verifiziert wird. Die Risikoanalyse wurde vom Bundesamt für Umwelt überprüft. In seiner Beurteilung der Risikoanalyse bestätigt es die Einschätzung des VBS: Das Risiko für die Bevölkerung ist nicht akzeptabel. Bereits kurz nach dem Unglück 1947 verfassten Spezialisten aus Wissenschaft und Verwaltung ausführliche Berichte, in denen das Risiko hingegen noch anders eingeschätzt wurde.
Im Dezember 1947 explodieren im Munitionslager der Schweizer Armee in Mitholz grosse Teile der eingelagerten Munition. 9 Menschen verlieren ihr Leben, es gibt Dutzende von Verletzten zu beklagen, über 40 Häuser werden beschädigt, in der Folgezeit müssen 20 Liegenschaften neu aufgebaut werden. Gesamtschaden: rund 100 Millionen Franken – eine damals horrende Summe. Die Fragen nach der Unglücksursache konnte bis heute nicht eindeutig geklärt werden.
Im Anschluss an die Explosion wurden zwei Kommissionen mit der Aufarbeitung der Katastrophe beauftragt: Kommission I hat sich mit der technischen, Kommission II mit der administrativen Untersuchung befasst. Ihre Erkenntnisse haben die Kommissionen in Berichten dargelegt
Das Explosionsunglück von Mitholz 1947 hat schon damals grosses Interesse in der Öffentlichkeit und den Printmedien geweckt.
2017, anlässlich des 70. Jahrestages, thematisierten die Medien die Explosionskatastrophe erneut. Ein Buchprojekt und ein Dokumentarfilm zu Mitholz sind in Planung, und der Berner Heimatschutz, Regionalgruppe Thun Kandertal Simmental Saanen hat eine Vortragsreihe durchgeführt, die weitum auf grosses Interesse gestossen ist.
Es war 1940, als die Direktion der Eidgenössischen Bauten ein Projekt für ein unterirdisches Munitionslager im Kandertal in Auftrag gab. Während des 2. Weltkriegs entstanden so am Standort «Fluh» in Mitholz sechs unterirdische Munitionskammern von je 150 m Länge und 8,5 m Breite. Das Munitionslager war geheim – einer der Gründe, weshalb nach dem Unglück von 1947 nur spärlich Informationen zum Unfallstandort an die Öffentlichkeit gelangen.
Im Laufe der Zeit wurden in Mitholz verschiedene Ausbauprojekte realisiert und die Anlage als Armeeapotheke und Truppenunterkunft genutzt. Andere Vorhaben wie ein Militärspital oder eine Abfüllanlage für medizinische Flüssigkeiten kamen nicht über die Planungsphase hinaus.
Am 27. Juni 2018 hat der Bundesrat das VBS beauftragt, eine Arbeitsgruppe zu bilden. Einsitz in dieser haben diverse Stellen genommen: die betroffenen Bundesstellen sind genauso vertreten wie Akteure des Kantons Bern, die betroffenen Gemeinden Kandergrund und Kandersteg sowie die BLS Netz AG als Betreiberin der nahegelegenen Bahnstrecke.