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Revision des Nachrichtendienstgesetzes

Das neue Nachrichtendienstgesetz der Schweiz

Übersicht

Der Bundesrat hat am 18. Mai 2022 die Vernehmlassung für eine Revision des Nachrichtendienstgesetzes (NDG) eröffnet. Sie dauert bis am 9. September 2022.

Schwerpunkte der Revision sind die Ausweitung der genehmigungspflichtigen Beschaffungsmassnahmen (GEBM) zur Aufklärung von gewalttätig-extremistischen Aktivitäten, die komplette Neuregelung der Datenhaltung des NDB und die Übertragung der Aufgaben der Unabhängigen Kontrollinstanz für die Funk- und Kabelaufklärung (UKI) an die Aufsichtsbehörde über die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten (AB-ND).

Mit den Anpassungen reagiert der Bundesrat auf die seit der Inkraftsetzung des NDG ab September 2017 gemachten Erfahrungen sowie auf die Entwicklung der Bedrohungslage der letzten Jahre.

Gewaltextremismus

Was die Bekämpfung von gewalttätigem Extremismus betrifft, will der Bundesrat mit der Revision zusätzliche Massnahmen zur Früherkennung und Verhinderung schaffen. Konkret sollen die GEBM neu auch zur Aufklärung von schweren Bedrohungen angewendet werden können, die von gewalttätig-extremistischen Aktivitäten ausgehen. Davon betroffen sein können Organisationen und Personen, welche die demokratischen und rechtsstaatlichen Grundlagen ablehnen und zum Erreichen ihrer Ziele Gewalttaten befürworten, fördern oder verüben.

Mit diesen zusätzlichen Möglichkeiten trägt der Bundesrat auch verschiedenen parlamentarischen Vorstössen Rechnung.

Finanz-Transaktionen

Eine weitere Neuerung betrifft die Abklärungen über finanzielle Transaktionen, zum Beispiel bei der Finanzierung von Terrorismus oder Spionagenetzwerken. Der NDB hat heute keine Möglichkeit, Informationen von Finanzintermediären über die Finanzierung von sicherheitsrelevanten Personen oder Gruppierungen zu erhalten. Die Revision des NDG sieht eine neue GEBM zum Einholen von Daten bei Finanzintermediären vor: Bei schweren Bedrohungen der Sicherheit der Schweiz kann der NDB künftig auch Finanzflüsse aufklären, indem er bei Finanzintermediären Auskünfte zu Transaktionen anfordern kann. Infrage kommt dies beispielsweise bei kommerziellen Unternehmen, ideellen Organisationen oder religiösen Einrichtungen, über die begründete Anhaltspunkte vorliegen, dass sie an der Finanzierung von terroristischen, nachrichtendienstlichen oder gewalttätig-extremistischen Umtrieben beteiligt sind.

Genehmigungspflicht

Wie bei allen GEBM gelten bei den zusätzlichen Massnahmen strenge Voraussetzungen, das heisst es braucht sowohl die Genehmigung durch das Bundesverwaltungsgericht als auch die Freigabe durch die Chefin des VBS. Diese muss dabei die Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartments (EJPD) und den Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) vorgängig konsultieren. Bei der Freigabe zur Verlängerung bereits laufender Massnahmen kann neu von der Konsultation von EJPD und EDA abgesehen werden.

Datenbearbeitung

Die Neukonzeption der nachrichtendienstlichen Datenbearbeitung wurde 2019 von der Geschäftsprüfungsdelegation der Eidgenössischen Räte angeregt. Zudem flossen Erkenntnisse der unabhängigen Aufsichtsbehörde AB-ND sowie eines Rechtsgutachtens des Bundesamtes für Justiz in die Arbeiten ein. Die neue Regelung orientiert sich zudem am revidierten Datenschutzgesetz, das voraussichtlich auf den 1. September 2023 in Kraft tritt.

Keine Änderungen gibt es bei der Datenbearbeitungsschranke zum Schutz der politischen Betätigung und der Ausübung der Meinungs-, Versammlungs- oder Vereinigungsfreiheit. Anstatt jedoch die einzelnen Informationssysteme für die nachrichtendienstlichen Daten zu definieren, regelt das revidierte NDG neu die Kategorien dieser Daten. Der Datenschutz bleibt gleich. Auch das Auskunftsrecht orientiert sich neu am revidierten Datenschutzgesetz und wird analog der für das Bundesamt für Polizei geltenden Auskunftsregelung vereinfacht.

Aufsichtsinstanzen

Schon während der parlamentarischen Beratung des Nachrichtendienstgesetzes 2015 wurde angeregt, die Zusammenlegung der zwei unabhängigen Aufsichtsinstanzen – Unabhängige Kontrollinstanz für die Funkaufklärung (UKI) und Unabhängige Aufsichtsbehörde über die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten (AB-ND) – zu prüfen. Die Revision schlägt dies jetzt vor. Die Übertragung der Aufgaben der UKI an die AB-ND führt zu einer umfassenderen Einbettung der Kontrolle der Funk- und Kabelaufklärung in die Aufsichtstätigkeiten. Weiter werden die Zuständigkeiten der AB-ND bezüglich der kantonalen Vollzugsbehörden unter Berücksichtigung der Kompetenzordnung zwischen Bund und Kantone präzisiert.

FAQ

Allgemein

Die Revision des Datenhaltungsteils und des Auskunftsrechts geht auf eine Empfehlung der GPDel aus dem Jahr 2019 zurück. Sie hat damals gefordert, dass die betreffenden Bestimmungen grundlegend überarbeitet und vereinfacht werden.

  • Aus den parlamentarischen Debatten von 2015 gab es mehrere offene Punkte, u.a. die Zusammenlegung von AB-ND und UKI sowie die selbständige Budgeteinreichung der AB-ND. Schon damals war die Rede von einer schnellen Revision (kurze Zeit nach Inkrafttreten).
  • Bereits in seinem Beschluss vom 16. August 2017 zum Inkrafttreten des NDG hat der BR das VBS aufgefordert, dass die gesetzlichen Grundlagen (NDG und ParlG) für die Abgabe des Budgets der AB-ND bei einer nächsten Revision, spätestens aber bis Ende 2021, angepasst werden. Im selben Beschluss forderte der BR auch eine Verbesserung der Formulierung der Rechtsgrundlage für Art. 6 und 7 OSIS-RS (Zugriff auf mehrere Systeme und vorübergehende Einstufungen / besonders sensible Daten). Dieser Punkt ist angesichts der Anträge der GPDel mittlerweile obsolet geworden. Spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten des NDG musste das VBS analysiert haben, wie die Kontrollen der UKI langfristig verstärkt werden können.
  • GPDel-Anregung über Datenhaltung und Auskunftsrecht.
  • Anpassungen auf Wunsch von externen Stellen.

Die geplanten Änderungen erfordern kein zusätzliches Personal. Sie dürften einige Vereinfachungen bei den Aufgaben mit sich bringen. Auch wenn neue Mittel in das Gesetz aufgenommen werden, wird es keine Aufstockung beim Personal geben. 

Genehmigungspflichtige Beschaffungsmassnahmen

Gewaltextremismus

Ja, Aggressivität und Gewaltpotential haben zugenommen. Es gibt Fälle von Kampfsporttraining und Bewaffnung. Gewaltanwendungen gegenüber Behörden und anderen Gruppen nehmen zu.

Es steht ausser Frage, dem NDB zu erlauben, politische Spionage zu betreiben. Solange die Ausübung der politischen Rechte (Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit) gesetzeskonform und gewaltfrei erfolgt, ist der NDB nicht an den Personen interessiert.

Finanzintermediäre

Kontoauszug, verwendetes Zahlungsmittel, Vollmacht.

Nein, der NDB kann nur die Bewegungen sehen. Der NDB erhält keinen Zugriff auf Konten und Kreditkarten.

Nein. Diese Organisationen müssen dem NDB auf Anfrage die ihnen bereits vorliegenden Daten zur Verfügung stellen und dürfen keine neuen Daten sammeln. Verdächtige Bewegungen, die auf Geldwäsche hindeuten könnten, werden durch andere Gesetze geregelt und fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich des NDB.

In keinem Fall. Zur Erinnerung: Banken und andere Finanzinstitute als solche sind nicht Ziel des NDB.

Datenhaltung

Es wird neu zwischen nachrichtendienstlichen und administrativen Daten unterschieden. Für die nachrichtendienstlichen Daten sind verschiedene Unterkategorien vorgesehen, die grundsätzlich den heutigen Informations- und Speichersystemen entsprechen. Diese wird der Bundesrat auf Stufe Verordnung regeln.

Heute gilt für einen Teil der Informations- und Speichersysteme das Datenschutzgesetz (DSG), für den anderen Teil gelten die spezialgesetzlichen Vorschriften des NDG. Neu gilt grundsätzlich das DSG. Das heisst, der NDB kann nicht verzeichneten Personen sofort Auskunft über ihre Nichtverzeichnung geben. Dadurch bleiben die Nichtverzeichneten nicht mehr im Ungewissen darüber, ob der NDB Daten über sie bearbeitet.

Nein. Auch ohne Rückgriff auf einzelne Informationssysteme können die Zugriffe wie bisher differenziert gesteuert werden. Die Steuerung kann sogar differenzierter erfolgen, da die Zugriffe nicht mehr grob auf Ebene Informationssysteme geregelt werden, sondern bis auf Stufe Datenbearbeitung und einzelne Information.

Nein. Die Datenbearbeitungsschranke von heute (Art. 5 Abs. 5) bleibt unverändert. Es wird aber aus Gründen der Transparenz neu ausgewiesen, wo die Grenzen sind (beispielsweise zum Schutz von potenziellen Opfern).

Meilensteine

Meilensteinplan

Stand Mai 2022
Meilenstein Datum
Inkrafttreten (ohne Referendum) 2026
Parlamentarische Beratung 2024/2025
Verabschiedung Gesetzesentwurf durch den Bundesrat zuhanden Parlament 2024
Vernehmlassung 18. Mai bis 9. September 2022

Mitteilungen

Videos

19.05.2022 - Revision des Nachrichtendienstgesetzes