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Sicherheitspolitischer Bericht 2021

Der sicherheitspolitische Bericht 2021 analysiert das sicherheitspolitische Umfeld der Schweiz und seine künftige Entwicklung. ©Keystone-SDA


Übersicht

Die Sicherheitslage ist weltweit und auch in Europa instabiler, unübersichtlicher und unberechenbarer geworden. Die internationalen Entwicklungen sind geprägt von grossem Tempo und Ungewissheit. Das gilt auch für die sicherheitspolitische Lage sowie die konkreten Bedrohungen und Gefahren für die Schweiz. Diese haben sich zwar in den letzten Jahren nicht grundlegend verändert, sie haben sich aber weiterentwickelt und teilweise auch verschärft. Der Umgang in der internationalen Sicherheitspolitik ist noch rauer geworden, das Verfolgen und Durchsetzen machtpolitischer Interessen noch ausgeprägter. Die Erosion multilateraler Zusammenarbeit und internationaler Sicherheitsstrukturen hat sich verstärkt, ebenso der Einsatz von Mitteln «hybrider» Konfliktführung. Die weiter rasch voranschreitende Digitalisierung und Vernetzung hat viele Vorteile; sie hat aber auch die Verletzlichkeit von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft erhöht. Bewaffnete Konflikte und Krisen an der Peripherie Europas dauern an und haben sich teilweise verschlimmert. Wetterbedingte Extremereignisse nehmen im Zuge des Klimawandels zu, die Gefahren durch Pandemien haben sich mit der Covid-19-Pandemie drastisch bestätigt.

Dies sind Kernaussagen des Sicherheitspolitischen Berichts 2021, den der Bundesrat am 24. November 2021 verabschiedet hat.

Neun Ziele

Ausgehend von einer umfassenden Analyse der Lage, legt der Bericht die sicherheitspolitischen Interessen und Ziele die Schweiz fest und zeigt auf, wie diese umgesetzt werden sollen. Definiert sind neun Ziele, die in der Schweizer Sicherheitspolitik in den nächsten Jahren als Schwerpunkte verfolgt werden sollen. Darunter:

  • die Stärkung der Früherkennung von Bedrohungen und Krisen;
  • die verstärkte Ausrichtung auf «hybride» Bedrohungen, inklusive Modernisierung der Mittel der Armee;
  • eine weitere Stärkung des Schutzes vor Cyberbedrohungen;
  • Massnahmen gegen Desinformation und Beeinflussung;
  • die Stärkung von Resilienz und Versorgungssicherheit.

Der Bericht zeigt auch auf, wie die einzelnen Ziele umgesetzt werden und wie die einzelnen Politikbereiche und Instrumente dazu beitragen und im Verbund zusammenarbeiten müssen (Aussenpolitik, Wirtschaftspolitik, Information und Kommunikation, Armee, Bevölkerungsschutz, Nachrichtendienst, Polizei, Eidgenössische Zollverwaltung, Zivildienst). Dabei werden zu jedem der neun Ziele auch konkrete Massnahmen aufgeführt, die es in den nächsten Jahren umzusetzen gilt.

Zusatzbericht über die Folgen des Ukraine-Krieges

Der Krieg in der Ukraine hat langfristige Auswirkungen auf die Sicherheit Europas und darüber hinaus. Der Bundesrat hat am 7. September 2022 einen Zusatzbericht zu seinem Sicherheitspoltischen Bericht 2021 gutgeheissen. Demnach will er – unter Einhaltung der Neutralität – die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Schweiz konsequenter als bislang auf internationale Zusammenarbeit ausrichten. Zudem soll die Modernisierung der Fähigkeiten und Mittel der Armee vorangetrieben werden.

FAQ

Sicherheistpolitischer Bericht 2021

Die Sicherheitslage ist weltweit und auch in Europa instabiler, unübersichtlicher und unberechenbarer geworden.

Zugenommen haben insbesondere Bedrohungen «hybrider» Art, so etwa aus dem Cyber- und Informationsraum durch Spionage, Beeinflussungsaktivitäten und digitale Kriminalität. Die Bedrohungen durch Terrorismus und organisierte Kriminalität bleiben bestehen. Die zunehmende gesellschaftliche Polarisierung kann zur Verschärfung der Bedrohung durch gewalttätigen Extremismus beitragen. Die Schweiz sieht sich derzeit keiner direkten Bedrohung durch einen herkömmlichen militärischen Angriff gegenüber; eine solche könnte sich jedoch im Verlauf einer militärischen Konfrontation zwischen der Nato und Russland ergeben. Die Schweiz, ihre Bevölkerung und ihre Infrastrukturen können aber auch bei bewaffneten Konflikten an der Peripherie Europas auf vielfache Art betroffen sein. Gesellschaftsbedingte Gefahren haben sich akzentuiert, mit der Covid-19-Pandemie als eindrücklichem Beispiel. Wegen des Klimawandels ist zu erwarten, dass sich auch Naturkatastrophen weiter häufen werden. 

Der Bericht definiert neun Ziele, die in der Schweizer Sicherheitspolitik in den nächsten Jahren als Schwerpunkte verfolgt werden sollen:

  • die weitere Stärkung der Früherkennung von Bedrohungen, Gefahren und Krisen, um in der zunehmend volatilen Lage Risiken für die Schweiz möglichst früh zu erkennen;
  • die Stärkung der internationalen Zusammenarbeit, Stabilität und Sicherheit, indem sich die Schweiz für eine regelbasierte internationale Ordnung engagiert und mit zivilen und militärischen Mitteln zur Förderung von Stabilität und Sicherheit im Umfeld beiträgt;
  • eine verstärkte Ausrichtung auf hybride Konfliktführung, um Schutz und Widerstandkraft von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft gegenüber Phänomenen wie Cyberangriffen, Desinformation oder Druckausübung zu erhöhen und insbesondere auch die Mittel der Armee noch stärker auf das veränderte Konfliktbild auszurichten;
  • freie Meinungsbildung und unverfälschte Information, damit die öffentliche und politische Diskussion in der Schweiz frei und transparent, gestützt auf Fakten, und ohne Desinformation, Beeinflussungsversuche und Propaganda durch staatliche oder im Auftrag von Staaten handelnde Stellen erfolgen kann;
  • Verstärkung des Schutzes vor Cyberbedrohungen, um die Resilienz in der Schweiz gegenüber Cyberrisiken insgesamt weiter zu verbessern und dabei sowohl die Risiken wie die Chancen von Digitalisierung und neuer Technologien zu nutzen;
  • Verhinderung von Terrorismus, gewalttätigem Extremismus, organisierter und übriger transnationaler Kriminalität, damit sich auf Schweizer Territorium keine terroristischen, gewalttätig-extremistischen oder schwerstkriminellen Gruppierungen etablieren können;
  • Stärkung der Resilienz und Versorgungssicherheit bei internationalen Krisen, damit die Schweiz auch bei länger anhaltenden Versorgungsstörungen ihre Funktions- und Handlungsfähigkeit wahren kann;
  • Verbesserung des Schutzes vor Katastrophen und Notlagen und der Regenerationsfähigkeit, um angesichts der zunehmenden Risiken, etwa durch den Klimawandel, die Mittel zur Prävention und Bewältigung solcher Gefahren zu stärken;
  • Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Behörden und des Krisenmanagements, um angesichts der Volatilität der Lage und der Verkettung von Bedrohungen und Gefahren die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Politikbereichen und Instrumenten in der Schweiz weiter verbessert werden, in der normalen Lage wie in Krisen.

Um die sicherheitspolitischen Ziele zu verfolgen, verfügt die Schweiz über verschiedene Politikbereiche und Instrumente, die koordiniert eingesetzt werden. Folgende Politikbereiche leisten Beiträge für die Sicherheitspolitik und zur Erreichung ihrer Ziele: Aussenpolitik, Wirtschaftspolitik und Information und Kommunikation. Weiter verfügt die Schweiz über Instrumente, die auf sicherheitspolitische Aufgaben spezialisiert sind und zur Erreichung der Ziele der Sicherheitspolitik beitragen: Armee, Bevölkerungsschutz, Nachrichtendienst, Polizei, Eidgenössische Zollverwaltung und Zivildienst. 

Sicherheitspolitik ist in der Schweiz eine Verbundaufgabe. Wie schon bei den letzten Berichten wurden deshalb die Kantone in der Erarbeitung dieses Berichts einbezogen. Dieses Vorgehen ist Ausdruck davon, dass Sicherheitspolitik in der Schweiz umfassend und breit verstanden wird. Sie umfasst die Gesamtheit aller Massnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden zum Schutz der Schweiz und ihrer Bevölkerung vor machtpolitischen, kriminellen oder natur- und zivilisationsbedingten Bedrohungen und Gefahren.

In einer Krisenlage müssen Entscheide rasch gefällt und Abläufe gestrafft werden, deshalb ist der kürzest mögliche Weg zum politischen Entscheidungsgremium – dem Bundesrat – zentral. Krisenmanagement auf Stufe Bund muss der departementalen Struktur der Regierung Rechnung tragen. Beim Krisenmanagement verfolgt der Bund deshalb den Grundsatz, dass jenes Departement, das fachlich am meisten betroffen ist und auch die Mittel, Entscheidkompetenzen und Fachkenntnisse für die Bewältigung einer spezifischen Krisenlage hat, die Federführung übernimmt und Entscheide des Bundesrats vorbereitet. Es wird ein massgeschneiderter, den Erfordernissen der Lage angepasster Stab auf Stufe Departement gebildet, der durch einen Stab auf operativer Ebene ergänzt werden kann, z.B. je nach Ereignis durch den Bundestab Bevölkerungsschutz oder durch die Einsatzorganisation fedpol. Zudem müssen die Kantone sowie wissenschaftliche Expertise einbezogen werden.

Der Bundesrat hat für die Erarbeitung dieses Berichts eine breite Arbeitsgruppe eingesetzt. Die Federführung lag wie bei sicherheitspolitischen Berichten üblich beim VBS. In der Arbeitsgruppe vertreten waren alle Departemente, die Bundeskanzlei sowie auch kantonale Fachkonferenzen. Es handelt sich demnach zwar um einen Bericht des Bundesrates, der Bericht ist aber breit abgestützt und konsolidiert.

Zusatzbericht über die Folgen des Ukraine-Krieges

Mit dem Krieg in der Ukraine hat sich die zunehmende Bedrohung durch hybride Konfliktführung bestätigt und konkretisiert. Dazu gehören Desinformation und Beeinflussung, Cyberangriffe, verdeckte Operationen und auch ein bewaffneter Konflikt. Die europäischen Streitkräfte werden wieder stärker auf die Abschreckung und Abwehr eines militärischen Angriffs und auf den konventionellen Krieg ausgerichtet. Der Krieg hat zudem eine neue Dynamik in der sicherheits- und verteidigungspolitischen Kooperation ausgelöst.

Der Bericht kommt zum Schluss, dass es im Interesse der Schweiz liegt, ihre Sicherheits- und Verteidigungspolitik konsequenter als bislang auf internationale Zusammenarbeit auszurichten. Der Bericht legt Möglichkeiten zum Ausbau der sicherheits- und verteidigungspolitischen Zusammenarbeit in Europa, konkret mit Nato und EU, dar. Diese sollen zur Stärkung der eigenen Verteidigungsfähigkeit genutzt werden, unter Einhaltung der Neutralität. Dazu gehören beispielsweise eine verstärkte Teilnahme an Übungen, eine Ausweitung der militärischen Zusammenarbeitsfähigkeit auf verteidigungsrelevante Bereiche, eine Intensivierung des Partnerschaftsstatus bei der Nato oder eine Beteiligung der Armee an EU-Verbänden wie der EU Rapid Deployment Capacity (für Rettungs-, Evakuierungs- und Stabilisierungsoperationen).

Die laufende Umsetzung aus den Grundlagenberichten zur Luftverteidigung, den Bodentruppen und den Cyberfähigkeiten wurde überprüft. Daraus geht hervor, dass die Fähigkeitsplanung auf Kurs ist, namentlich bezüglich Führungsfähigkeit und Cyberdefence, Mobilität, Schutz vor Luftangriffen und indirekter Feuerunterstützung. Parallel zur verstärkten Zusammenarbeit soll deshalb die Modernisierung der Fähigkeiten und Mittel der Armee vorangetrieben werden, wobei die Erkenntnisse aus dem Krieg laufend einfliessen müssen. Die Erhöhung der finanziellen Mittel für die Armee ermöglicht, wichtige Fähigkeiten rascher aufzubauen und Lücken zu schliessen.

Kritische Fähigkeitslücken bestehen bei der Panzerabwehr und bei der Durchhaltefähigkeit, vor allem der zu geringen Bevorratung von Munition.

Der Krieg verstärkt die Notwendigkeit, die Fähigkeiten zur sicherheitspolitischen Früherkennung und Antizipation im Verbund verschiedener Bundesstellen weiterzuentwickeln. Der Krieg zeigt zudem die Betroffenheit der Zivilbevölkerung und damit die Bedeutung des Bevölkerungsschutzes auf. Dessen Leistungsfähigkeit und Ausrichtung auf einen bewaffneten Konflikt soll verbessert werden, unter anderem durch eine Anpassung des Leistungsprofils und der Ausbildung, die Bereitstellung adäquater Schutzräume und sanitärer Schutzanlagen, die Weiterentwicklung der Systeme für die Alarmierung und Information der Bevölkerung sowie das Schliessen von Lücken im ABC-Schutz.

Parallel zum Zusatzbericht beauftragte das VBS das Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich mit einer Studie zur sicherheits- und verteidigungspolitischen Kooperation der Schweiz in Europa. Diese Analyse diente als Grundlage für den Zusatzbericht des VBS. Weiter beauftragte das VBS den ehemaligen Schweizer Botschafter Jean-Jacques de Dardel mit einer Analyse zur sicherheitspolitischen Kooperation in Europa. Diese Analyse diente dem VBS als unabhängige Zweitmeinung und wurde ebenfalls berücksichtigt.

Allgemeines

Der Bundesrat veröffentlicht in periodischen Abständen Berichte über die Sicherheitspolitik der Schweiz. Die Berichte dienen dazu, aufgrund einer umfassenden Analyse des Umfelds zu prüfen, ob und inwieweit die Sicherheitspolitik und ihre Instrumente angepasst werden müssen, damit die Schweiz auf sich verändernde Bedrohungen und Gefahren rasch und richtig reagieren kann, welche Strategie dabei verfolgt und welche Prioritäten gelten sollen. Der Bericht legt die Stossrichtung und Grundzüge der Schweizer Sicherheitspolitik für die kommenden Jahre fest. Er dient als Basis für weitere und detailliertere Grundlagendokumente zu einzelnen sicherheitspolitischen Bereichen oder Instrumenten.

Der Bericht ist deutlich kürzer als frühere Sicherheitspolitische Berichte. Zudem enthält er klar definierte Ziele, die als thematische Schwerpunkte für die Schweizer Sicherheitspolitik der nächsten Jahre dienen, ebenso wie konkrete Massnahmen, wie diese Ziele umgesetzt werden sollen.

Es liegt am Bundesrat, zu entscheiden, wann und in welchen Zeitabständen er solche Berichte veröffentlichen will. Der letzte Bericht stammt aus dem Jahr 2016. Aufgrund der sich rasant verändernden Lage hat der Bundesrat entschieden, solche Berichte künftig in kürzeren Kadenzen zu veröffentlichen, nämlich einmal pro Legislatur. 

Der Entwurf ging vom 28. April bis am 18. August in eine Vernehmlassung bei den Kantonen, politischen Parteien, Verbänden und interessierten Organisationen. Am 24. November 2021 hat der Bundesrat den Bericht verabschiedet und dem Parlament zur Diskussion überwiesen. Dem Bundesrat dient der Bericht als politisches Grundlagendokument für die Gestaltung der Sicherheitspolitik der nächsten Jahre.

Meilensteine

Meilensteinplan

Stand September 2022
Meilenstein Datum
Zusatzbericht des Bundesrates zum Ukraine-Krieg 7. September 2022
Kenntnisnahme des Berichtes durch den Ständerat 2. Juni 2022
Kenntnisnahme des Berichtes durch den Nationalrat 9. März 2022
Kenntnisnahme der Vernehmlassungsergebnisse und Verabschiedung Bericht durch den Bundesrat 24. November 2021
Vernehmlassung 28. April bis 18. August 2021
Verabschiedung Berichtsentwurf durch Bundesrat; Eröffnung der Vernehmlassung 28. April 2021